Dritter Akt

Augsburg. Ein Garten

Zwei Nurnberger Kaufleute.

Erster Kaufmann . Hier wollen wir stehn, denn da mu? der Kaiser vorbei. Er kommt eben den langen Gang herauf.

Zweiter Kaufmann . Wer ist bei ihm?

Erster Kaufmann . Adelbert von Weislingen!

Zweiter Kaufmann . Bambergs Freund! Das ist gut.

Erster Kaufmann . Wir wollen einen Fu?fall tun, und ich will reden.

Zweiter Kaufmann . Wohl, da kommen sie.

(Kaiser. Weislingen.)

Erster Kaufmann . Er sieht verdrie?lich aus.

Kaiser . Ich bin unmutig, Weislingen, und wenn ich auf mein vergangenes Leben zurucksehe, mocht ich verzagt werden; so viel halbe, so viel verungluckte Unternehmungen! und das alles, weil kein Furst im Reich so klein ist, dem nicht mehr an seinen Grillen gelegen ware als an meinen Gedanken.

(Die Kaufleute werfen sich ihm zu Fu?en.)

Kaufmann . Allerdurchlauchtigster! Gro?machtigster!

Kaiser . Wer seid ihr? Was gibt's?

Kaufmann . Arme Kaufleute von Nurnberg, Eurer Majestat Knechte, und flehen um Hulfe. Gotz von Berlichingen und Hans von Selbitz haben unser drei?ig, die von der Frankfurter Messe kamen, im Bambergischen Geleite niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure Kaiserliche Majestat um Hulfe, um Beistand, sonst sind wir alle verdorbene Leute, genotigt, unser Brot zu betteln.

Kaiser . Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was ist das? Der eine hat nur eine Hand, der andere nur ein Bein; wenn sie denn erst zwei Hande hatten, und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun?

Kaufmann . Wir bitten Eure Majestat untertanigst, auf unsere bedrangten Umstande ein mitleidiges Auge zu werfen.

Kaiser . Wie geht's zu! Wenn ein Kaufmann einen Pfeffersack verliert, soll man das ganze Reich aufmahnen; und wenn Handel vorhanden sind, daran Kaiserlicher Majestat und dem Reich viel gelegen ist, da? es Konigreich, Furstentum, Herzogtum und anders betrifft, so kann euch kein Mensch zusammenbringen.

Weislingen . Ihr kommt zur ungelegnen Zeit. Geht und verweilt einige Tage hier.

Kaufleute . Wir empfehlen uns zu Gnaden. (Ab.)

Kaiser . Wieder neue Handel. Sie wachsen nach wie die Kopfe der Hydra.

Weislingen . Und sind nicht auszurotten als mit Feuer und Schwert und einer mutigen Unternehmung.

Kaiser . Glaubt Ihr?

Weislingen . Ich halte nichts fur tunlicher, wenn Eure Majestat und die Fursten sich uber andern unbedeutenden Zwist vereinigen konnten. Es ist mit nichten ganz Deutschland, das uber Beunruhigung klagt. Franken und Schwaben allein glimmt noch von den Resten des innerlichen verderblichen Burgerkriegs. Und auch da sind viele der Edeln und Freien, die sich nach Ruhe sehnen. Hatten wir einmal diesen Sickingen, Selbitz — Berlichingen auf die Seite geschafft, das ubrige wurde bald von sich selbst zerfallen. Denn sie sind's, deren Geist die aufruhrische Menge belebt.

Kaiser . Ich mochte die Leute gerne schonen, sie sind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fuhrte, mu?ten sie mit mir zu Felde.

Weislingen . Es ware zu wunschen, da? sie von jeher gelernt hatten, ihrer Pflicht zu gehorchen. Und dann war es hochst gefahrlich, ihre aufruhrischen Unternehmungen durch Ehrenstellen zu belohnen. Denn eben diese kaiserliche Mild und Gnade ist's, die sie bisher so ungeheuer mi?brauchten, und ihr Anhang, der sein Vertrauen und Hoffnung darauf setzt, wird nicht ehe zu bandigen sein, bis wir sie ganz vor den Augen der Welt zunichte gemacht und ihnen alle Hoffnung, jemals wieder emporzukommen, vollig abgeschnitten haben.

Kaiser . Ihr ratet also zur Strenge?

Weislingen . Ich sehe kein ander Mittel, den Schwindelgeist, der ganze Landschaften ergreift, zu bannen. Horen wir nicht schon hier und da die bittersten Klagen der Edeln, da? ihre Untertanen, ihre Leibeignen sich gegen sie auflehnen und mit ihnen rechten, ihnen die hergebrachte Oberherrschaft zu schmalern drohen, so da? die gefahrlichsten Folgen zu furchten sind?

Kaiser . Jetzt war eine schone Gelegenheit wider den Berlichingen und Selbitz; nur wollt ich nicht, da? ihnen was zuleid geschehe. Gefangen mocht ich sie haben, und dann mu?ten sie Urfehde schworen, auf ihren Schlossern ruhig zu bleiben und nicht aus ihrem Bann zu gehen. Bei der nachsten Session will ich's vortragen.

Weislingen . Ein freudiger beistimmender Zuruf wird Eurer Majestat das Ende der Rede ersparen. (Ab.)

Jagsthausen

Sickingen. Berlichingen.

Sickingen . Ja, ich komme, Eure edle Schwester um ihr Herz und ihre Hand zu bitten.

Gotz . So wollt ich, Ihr wart eher kommen. Ich mu? Euch sagen: Weislingen hat wahrend seiner Gefangenschaft ihre Liebe gewonnen, um sie angehalten, und ich sagt sie ihm zu. Ich hab ihn losgelassen, den Vogel, und er verachtet die gutige Hand, die ihm in der Not Futter reichte. Er schwirrt herum, wei? Gott auf welcher Hecke seine Nahrung zu suchen.

Sickingen . Ist das so?

Gotz . Wie ich sage.

Sickingen . Er hat ein doppeltes Band zerrissen. Wohl Euch, da? Ihr mit dem Verrater nicht naher verwandt worden.

Gotz . Sie sitzt, das arme Madchen, verjammert und verbetet ihr Leben.

Sickingen . Wir wollen sie singen machen.

Gotz . Wie! Entschlie?et Ihr Euch, eine Verla?ne zu heiraten?

Sickingen . Es macht euch beiden Ehre, von ihm betrogen worden zu sein. Soll darum das arme Madchen in ein Kloster gehn, weil der erste Mann, den sie kannte, ein Nichtswurdiger war? Nein doch! ich bleibe darauf, sie soll Konigin von meinen Schlossern werden.

Gotz . Ich sage Euch, sie war nicht gleichgultig gegen ihn.

Sickingen . Traust du mir nicht zu, da? ich den Schatten eines Elenden sollte verjagen konnen? La? uns zu ihr! (Ab.)

Lager der Reichsexekution

Hauptmann. Offiziere.

Hauptmann . Wir mussen behutsam gehn und unsere Leute so viel moglich schonen. Auch ist unsere gemessene Order, ihn in die Enge zu treiben und lebendig gefangenzunehmen. Es wird schwerhalten, denn wer mag sich an ihn machen?

Erster Offizier . Freilich! Und er wird sich wehren wie ein wildes Schwein. Uberhaupt hat er uns sein Lebelang nichts zuleid getan, und jeder wird's von sich schieben, Kaiser und Reich zu Gefallen Arm und Bein daranzusetzen.

Zweiter Offizier . Es ware eine Schande, wenn wir ihn nicht kriegten. Wenn ich ihn nur einmal beim Lappen habe, er soll nicht loskommen.

Erster Offizier . Fa?t ihn nur nicht mit Zahnen, er mochte Euch die Kinnbacken ausziehen. Guter junger Herr, dergleichen Leut packen sich nicht wie ein fluchtiger Dieb.

Zweiter Offizier . Wollen sehn.

Hauptmann . Unsern Brief mu? er nun haben. Wir wollen nicht saumen und einen Trupp ausschicken, der ihn beobachten soll.

Zweiter Offizier . La?t mich ihn fuhren.

Hauptmann . Ihr seid der Gegend unkundig.

Zweiter Offizier . Ich hab einen Knecht, der hier geboren und erzogen ist.

Hauptmann . Ich bin's zufrieden. (Ab.)

Jagsthausen

Sickingen.

Sickingen . Es geht alles nach Wunsch; sie war etwas besturzt uber meinen Antrag und sah mich vom Kopf bis auf die Fu?e an; ich wette, sie verglich mich mit ihrem Wei?fisch. Gott sei Dank, da? ich mich stellen darf. Sie antwortete wenig und durcheinander; desto besser! Es mag eine Zeit kochen. Bei Madchen, die durch Liebesungluck gebeizt sind, wird ein Heiratsvorschlag bald gar.

(Gotz kommt.)

Sickingen . Was bringt Ihr, Schwager?

Gotz . In die Acht erklart!

Sickingen . Was?

Gotz . Da lest den erbaulichen Brief. Der Kaiser hat Exekution gegen mich verordnet, die mein Fleisch den Vogeln unter dem Himmel und den Tieren auf dem Felde zu fressen vorschneiden soll.

Sickingen . Erst sollen sie dran. Just zur gelegenen Zeit bin ich hier.

Gotz . Nein, Sickingen, Ihr sollt fort. Eure gro?en Anschlage konnten daruber zugrunde gehn, wenn Ihr zu so ungelegner Zeit des Reichs Feind werden wolltet. Auch mir werdet Ihr weit mehr nutzen, wenn Ihr neutral zu sein scheint. Der Kaiser liebt Euch, und das Schlimmste, das mir begegnen kann, ist, gefangen zu werden; dann braucht Euer Vorwort und rei?t mich aus einem Elend, in das unzeitige Hulfe uns beide sturzen konnte. Denn was war's? Jetzo geht der Zug gegen mich; erfahren sie, du bist bei mir, so schicken sie mehr, und wir sind um nichts gebessert. Der Kaiser sitzt an der Quelle, und ich war schon jetzt unwiederbringlich verloren, wenn man Tapferkeit so geschwind einblasen konnte, als man einen Haufen zusammenblasen kann.

Sickingen . Doch kann ich heimlich ein zwanzig Reiter zu Euch sto?en lassen.

Gotz . Gut. Ich hab schon Georgen nach dem Selbitz geschickt, und meine Knechte in der Nachbarschaft herum. Lieber Schwager, wenn meine Leute beisammen sind, es wird ein Haufchen sein, dergleichen wenig Fursten beisammen gesehen haben.

Sickingen . Ihr werdet gegen die Menge wenig sein.

Gotz . Ein Wolf ist einer ganzen Herde Schafe zu viel.

Sickingen . Wenn sie aber einen guten Hirten haben?

Gotz . Sorg du. Es sind lauter Mietlinge. Und dann kann der beste Ritter nichts machen, wenn er nicht Herr von seinen Handlungen ist. So kamen sie mir auch einmal, wie ich dem Pfalzgrafen zugesagt hatte, gegen Konrad Schotten zu dienen; da legt' er mir einen Zettel aus der Kanzlei vor, wie ich reiten und mich halten sollt; da warf ich den Raten das Papier wieder dar und sagt: ich wu?t nicht darnach zu handlen, ich wei? nicht, was mir begegnen mag, das steht nicht im Zettel, ich mu? die Augen selbst auftun und sehn, was ich zu schaffen hab.

Sickingen . Gluck zu, Bruder! Ich will gleich fort und dir schicken, was ich in der Eil zusammentreiben kann.

Gotz . Komm noch zu den Frauen, ich lie? sie beisammen. Ich wollte, da? du ihr Wort hattest, ehe du gingst. Dann schick mir die Reiter, und komm heimlich wieder, Marien abzuholen, denn mein Schlo?, furcht ich, wird bald kein Aufenthalt fur Weiber mehr sein.

Sickingen . Wollen das Beste hoffen. (Ab.)

Bamberg. Adelheidens Zimmer

Adelheid. Franz.

Adelheid . So sind die beiden Exekutionen schon aufgebrochen?